Published on 21.09.2016
Investitionsanreize in Myanmar: spannende Chancen für arbeitsintensive Unternehmen
Mit seinen Industrie- und Sonderwirtschaftszonen macht Myanmar als Wirtschaftsstandort inzwischen China Konkurrenz
Arbeitsintensive Industrien vor allem aus China und Hong Kong wechseln schon seit Jahren in Industriezonen oder Sonderwirtschaftszonen Myanmars. Daraus lässt sich auch für westliche Unternehmen lernen, zumal bei einigen dieser Regionen schon mehr als zwanzig Jahre Erfahrung besteht.
Der Übergang von einem Militärregime zu einer zivilen Regierung hat zu wesentlich mehr Wandel in Myanmar geführt als allgemein erwartet worden war. Myanmar ist ein mittelgroßes Land der Staatengemeinschaft ASEAN und hat ein gutes Angebot an günstigen Arbeitskräften und hat eine Gesamtbevölkerung von 53 Millionen. Es nimmt eine strategisch wichtige Lage zwischen Indien und China ein. Das Land ist reich an natürlichen Ressourcen (Land, Wasser, Wälder, fossile Brennstoffe, Mineralien und Edelsteine) und verfügt über eine junge Erwerbsbevölkerung (55 % der Einwohner sind unter 30 Jahre alt). Den Prognosen zufolge wird das reale BIP im Zeitraum 2016-2020 – auch dank Großvorhaben, die von ausländischen Investoren finanziert werden, – im Durchschnitt um etwa 8-9 % pro Jahr wachsen.
Seit 2012 gilt in Myanmar das neue Gesetz über ausländische Investitionen (Foreign Investment Law, FIL); es bietet Investoren einen überschaubaren rechtlichen Rahmen, in dem sie agieren können. Diese verbesserten Geschäftsbedingungen führen vermehrt dazu, dass sich ausländische Investoren zunehmend dafür interessieren, arbeitsintensive Produktionsanlagen aus u.a. Südchina nach Myanmar zu verlagern.
Bei der Suche eines passenden Produktionsstandortes für arbeitsintensive Industrien wie Textil- und Schuhindustrie nutzen viele Unternehmen die Industrie- oder Sonderwirtschaftszonen in Myanmar, um die von der Regierung bereitgestellten Investitionsanreize auszuschöpfen. Hinzu kommt, dass die genannten Zonen anderen Regionen des Landes hinsichtlich Infrastruktur und logistischer Anbindung deutlich überlegen sind.
Die im Folgenden vorgestellten vier Standorte Myanmars – das Industriezonencluster rund um Yangon und drei Sonderwirtschaftszonen – werden bezüglich ihrer mittel- und langfristigen Eignung beurteilt.
Produktionscluster in Yangon
Um die Beteiligung privater Investoren im produzierenden Gewerbe und in industriell geprägten Regionen zu fördern, hat die Regierung Myanmars in den 1990er Jahren Industriezonen ins Leben gerufen. Mehr als 20 solcher Industriezonen sind mittlerweile rund um die großen Städte des Verwaltungsbezirks Yangon verteilt. Die ehemalige Hauptstadt des Verwaltungsbezirks entwickelte sich im Vergleich zu anderen Regionen sehr gut weiter. Insbesondere die Transport- und Infrastruktureinrichtungen haben sich stark verbessert; so gibt es neben einem internationalen Flughafen eine Bündelung von Frachthäfen, über die der größte Teil der Waren verschifft wird. Als Folge konzentrieren sich arbeitsintensiven und exportorientierten Industrien auf diesen Bereich.
Zuständig für die Verwaltung der Industriezonen ist der jeweilige Industriezonen-Ausschuss, der sich in der Regel aus Investoren, Regierungsbeamten und Vertretern aus übergeordneten öffentlichen Einrichtungen zusammensetzt. Noch unterscheiden sich die Verwaltungsprozesse und Service-Standards in den einzelnen Industriezonen, doch haben viele von ihnen Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Infrastruktur getroffen. Dazu zählen zum Beispiel Umspannwerke, Notstromgeneratoren sowie Wasseraufbereitungsanlagen und Abfallentsorgungseinrichtungen.
Die Straßenverhältnisse sind von Industriezone zu Industriezone sehr unterschiedlich. Im allgemeinen sind die Hauptstraßen in einem guten Zustand, sodass sie auch von breiten schweren Lkw, einschließlich Container-Lkw, befahrbar sind. Einziges Problem sind manche Straßenabschnitte zu einzelnen Fabriken, wenn starke Regenfälle in der Monsunzeit, fehlende Beleuchtung und Schlaglöcher das Fahren erschweren.
Der Innenstadt-Hafen von Yangon, nur 20 bis 30 Kilometer von den Industriezonen entfernt, bewältigt etwa 90 Prozent der Exportwaren Myanmars. Da die Flüsse rund um das Zentrum Yangon über keine gepflegte Fahrrinne verfügen, können große Containerschiffe derzeit nicht einlaufen. Zusammen mit dem starken Wachstum des Handelsvolumens, der noch unausgereiften Hafeninfrastruktur und dem optimierbaren Frachtumschlag führt dies aktuell zu Staus der kleineren Container- und Frachtschiffe rund um das Hafengebiet.
Als Alternative nutzen mehrere Produzenten das Myanmar International Terminal Thilawa ca. 25 Kilometer südlich von Yangon, das durch die Hong Kong Hutchuson Port Holdings betrieben wird. Deren Dienstleistungen entsprechen internationalen Standards, der Hafen ist auch für größere Containerschiffe zu erreichen.
Sonderwirtschaftszonen: Investitionsanreize für ausländische Unternehmen
In den 1990er Jahren, als sich die Entwicklung der Industriezonen noch in der Anfangsphase befand, lag der Fokus in erster Linie auf der Pflege einheimischer Unternehmen, die für den lokalen Markt produzierten; die Anreize für ausländische Investitionen waren beschränkt.
Das seit 2012 bestehende Gesetz über ausländische Investitionen (Foreign Investment Law, FIL) bietet Investoren einen überschaubaren rechtlichen Rahmen, in dem sie agieren können. Zusätzlich ist seit 2014 ein Sonderwirtschaftszonen-Gesetz (SWZ-Gesetz) in Kraft. Es erleichtert ausländischen Interessenten in die drei bestehenden Sonderwirtschaftszonen zu investieren, die alle im küstennahen Bereich liegen.
Der Vorteil des SWZ-Gesetzes liegt darin, dass es im Vergleich zum FIL großzügigere Investitionsanreize bietet. Dazu zählen unter anderem Erleichterungen bei den Einfuhr- und Gewerbesteuern. Bereits in den Zonen arbeitende Unternehmen profitieren von diesen finanziellen Anreizen nicht im vollen Umfang. Über die Anträge zu Investitionsgenehmigungen wird von den jeweiligen Verwaltungsausschüssen der einzelnen SWZ entschieden. Das soll den recht aufwendigen Prüfungsprozess, den es unter dem FIL zu durchlaufen gibt, deutlich verkürzen und somit ein positives Umfeld für ausländische Investoren schaffen. Der Nachteil der Sonderwirtschaftszonen liegt aktuell darin, dass sie sich noch in einer jungen Entwicklungsphase befinden und folglich wenig etabliert sind. Andererseits schafft dies eine gewisse Modulierbarkeit der Umstände, die zu einem späteren Zeitpunkt verloren gehen.
Die zurzeit am besten entwickelte SWZ ist die rund eine Stunde von Yangon entfernte Sonderwirtschaftszone Thilawa mit einer Gesamtfläche von 2.400 Hektar. Derzeit stammt ein Großteil der dort angesiedelten Unternehmen aus China, Hong Kong, Japan Singapur, Taiwan und Thailand. Sie sind hauptsächlich in Bereichen der Leichtindustrie (Konsumgüter, Elektro- und Haushaltsgeräte, Kunststoffprodukte, Kosmetika etc.), Textilindustrie, Lebensmittelindustrie und in der Herstellung von Baumaterialien tätig. 2018 nimmt ein neues Werk der Suzuki Motor Corporation dort die Produktion auf.
Während ein Vorteil Thilawas in seiner Nähe zur Industriezone Yangon liegt, sind die beiden anderen Sonderwirtschaftszonen Kyaukphyu und Dawei durch die direkte Anbindung zu internationalen Tiefseehäfen attraktiv. In Dawei öffnet sich durch den Tiefwasserhafen zudem ein Tor zur Straße von Malakka – eine der weltweit wichtigsten Schifffahrtsroute zwischen Malaysia, Singapur und Indonesien. Mit der Nähe zu Thailands Hauptstadt Bangkok ist Dawei ein idealer Ausgangspunkt für den grenzüberschreitenden Handel mit Thailand.
Die Sonderwirtschaftszone Kyaukphyu, die am östlichsten gelegen ist, verfügt bereits über Öl- und Gasleitungen, die mit der chinesischen Provinz Yunnan verbunden sind. Die SWZ befindet sich allerdings noch in einer sehr frühen Phase der Entwicklung. Verschiedene Spannungsfelder bezüglich Umwelt, Landbesitz und ethnisch-religiöser Gruppen sind erst teilweise aufgelöst. Obwohl der Aufbau der SWZ nicht vor 2038 abgeschlossen sein dürfte, bestehen erste Pläne zur Ansiedlung von Leichtindustrie.
Sonderwirtschaftszonen
Industriezone oder Sonderwirtschaftszone? Abwägung zwischen finanziellen Anreizen und Geschäftsrisiken
Wie bereits erwähnt, bieten die SWZ bessere finanzielle Anreize für ausländische Investoren als das Industriezonencluster um Yangon. Relevant ist dies allerdings nur für Unternehmen, die in nächster Zeit in Produktionsstätten in Myanmar investieren wollen.
Alle drei Sonderwirtschaftszonen einschließlich ihrer speziellen gesetzlichen Bestimmungen befinden sich trotz ihres großen wirtschaftlichen Potentials noch in frühen Entwicklungsstadien, längerfristige Erfahrungen gibt es nicht. Im Doing Business Report 2016 der World Bank lag das Land Myanmar auf Platz 167 von 189. Ein Grund hierfür könnte die Unsicherheit beim Umgang mit Rechtsstreitigkeiten mit ausländischen Investoren in den Sonderwirtschaftszonen sein. Es empfiehlt sich deshalb, einen Standort in einer der seit Langem etablierten Industriezonen zu wählen, wo verschiedenste Verwaltungsprozesse flüssig funktionieren. Die Rahmenbedingungen sind dort deutlich stabiler und verschiedene Prozesse besser vorhersehbar.
Sind die drei SWZ einmal voll entwickelt, werden ihre bessere Ausstattung und die Unterstützung von ausländischen Investoren eine ernsthafte Konkurrenz für die Industriezonen darstellen. Bis dahin ist aber ein Standort in der Industriezone Yangon meist die sinnvollere und praktischere Option.