Veröffentlicht in ASEAN News am 22.12.2020
„Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP) nach fast 10jähriger Verhandlung unterzeichnet
Am 15. November 2020 wurde das Freihandelsabkommen RCEP, in einer Videokonferenz, von allen 15 teilnehmenden Ländern unterschrieben.
Neben den 10 ASEAN Ländern Indonesien, Thailand, Singapur, Malaysia, den Philippinen, Vietnam, Brunei, Myanmar, Laos, Kambodscha, die schon Freihandelsabkommen zwischen sich geschlossen haben, sind auch die Länder China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland beteiligt.
Das Abkommen besteht somit aus recht unterschiedlichen Ländern - reichen und armen, großen und kleinen, hoch entwickelten und solchen, in denen die Industrialisierung gerade erst beginnt.
Daher wurde in den 31 Verhandlungsrunden - entgegen dem Namen - ein nicht sehr umfassendes Abkommen herausgearbeitet, um weniger entwickelte und kleinere Volkswirtschaften nicht strukturell zu benachteiligen.
Geschichte
Im Jahr 2006 kam die Idee einer umfassenden Freihandelszone das erste Mal auf, fünf Jahre später schlugen die Wirtschaftsminister von Japan und China, auf dem Ostasien-Gipfel eine zügige Errichtung eines integrierten Marktes offiziell vor.
2012 billigten die Regierungschefs den Rahmenentwurf des RCEP und kündigten die Aufnahme von Verhandlungen an. Eine Zeit lang wurden die Gespräche durch Indien blockiert, das eigentlich einen Ausgleich zu der wirtschaftlichen und politischen Vormachtstellung Chinas im Abkommen bilden sollte. Letztendlich schied Indien im November 2019 aus den Verhandlungen aus, da befürchtet wurde, der heimische Markt für landwirtschaftliche Produkte und der Markt für Konsumprodukte könnte durch Australien bzw. China geschädigt werden.
Es wird angenommen, dass es ungefähr 2 Jahre lang dauern wird, bis der Staatsvertrag von genügend Länder ratifiziert wurde, damit das RCEP Abkommen seine volle Wirksamkeit entfalten kann.
Umfang des Abkommens
Das RCEP gilt als größtes Freihandelsabkommen, das jemals geschlossen wurde.
Das Bruttoinlandsprodukt aller 15 Länder beträgt kombiniert rund 26.3 Milliarden USD (zum Vergleich; EU= 18.7 Mrd.), die Bevölkerung umfasst 2.3 Milliarden Menschen (EU=0.447 Mrd.), 30% des Welthandels findet in der Region statt (EU=33%). Es ist davon auszugehen, dass sich die ASEAN+5 Region zu einer der dynamischsten und wachstumsstärksten Region der Welt entwickelt und sich die hohen Wirtschaftswachstumsraten nach der Pandemie wiederherstellen werden.
Die Länder bilden zudem den weltweit größten Export und zweitgrößte Import Region.
Das primäre Ziel des Freihandelsabkommens ist es, tarifäre Handelshemmnisse abzubauen. Zolltarife für den Austausch von Waren, Dienstleistungen, Investitionen und den online Einkauf werden schrittweise gesenkt. In erster Linie werden davon die Nicht-ASEAN Länder profitieren, den die (gewichteten) Zollsätze für den Handel innerhalb der Region sind von 4,9% im Jahr 2005 auf 1,8% im Jahr 2020 gefallen. Eine weitere Absenkung hat somit nur einen marginalen Nutzen. Für Produkte aus Japan hingegen werden in China zurzeit nur 8% der exportierten Produkte tariffrei behandelt, innerhalb von 20 Jahren soll sich der Anteil auf 86% erhöhen. Für den Export von Japan nach Korea beträgt der Anteil der tariffeien Produkte derzeit 19% und soll sich auf 92% erhöhen. Die Situation für die anderen Nicht-ASEAN Länder sehen ähnlich aus. Zudem ist es das erste Freihandelabkommen Chinas, mit seinen wichtigen Partnern Japan und Korea.
Etwas wichtiger als die weitere Absenkung von Zöllen sind die nicht-tarifären Handelserleichterungen.
So wird es in Zukunft möglich sein, dass öffentliche Beschaffungen und Aufträge über die Landesgrenzen hinweg vergeben werden, Arbeitskräfte werden mobiler sein und geistiges Eigentum soll besser geschützt werden.
Durch die neuen Regelungen zur Bestimmung der Ursprungsländer (englisch: Rules of Origin (ROO)) ist außerdem ein deutlich besserer Warenfluss in der Vertragsregion möglich.
Ursprungsregeln sind ein Standardbestandteil jedes Handelsabkommens. Sie sollen sicherstellen, dass Handelsgüter, die in den Genuss von Vergünstigungen kommen, größtenteils oder zumindest teilweise in einem Mitgliedsland hergestellt werden und nicht aus einem Land umgeladen werden, das keine Vergünstigungen aus Handelsabkommen erhält. Durch die Harmonisierung der Ursprungsregeln aus bestehenden Handelsabkommen zwischen den Mitgliedern baut das RCEP regulatorische Schranken ab.
Künftig wird es für den Grenzüberschreitenden Handel, ein harmonisiertes Verfahren für die Ausstellung der Zertifikate des Ursprungslandes gelten.
Das Problem, welches heute in Südost-Asien herrscht, ist, dass es zu viele bilaterale und multilaterale Abkommen gibt, die alle unterschiedliche Regelungen zur Rule of Origin beinhalten und den Handel so hemmen.
Die Einführung der einheitlichen Regelungen vereinfacht die Zollabfertigung und senkt die verbundenen Transaktionskosten, die laut Schätzungen heute bei 1,4% bis 5,9% der Transaktion liegen.
Es ist damit zu rechnen, dass durch diese Regelung umfassende Lieferketten in Südost-Asien aufgebaut werden.
Denn schon heute herrscht zwischen Japan, Süd-Korea und China ein umfangreicher Handel mit Rohstoffen und (halbfertigen) Elektrotechnikkomponenten, Maschinen, Plastikprodukten, Textilien und Spielzeug.
Indien
Kurz vor Abschluss der Verhandlungen hat Indien sich zurückgezogen. Offiziell wurde als Begründung angegeben, dass man Angst habe die nationale Wirtschaft könnte durch Dumping Preise aus Australien und China geschädigt werden.
Des Weiteren hat Indien bereits ein Freihandelsabkommen mit den ASEAN Ländern, Singapur, Japan, Süd-Korea und Australien. Die indischen Unterhändler haben darüber hinaus die fehlenden Regelungen bezüglich chinesischer Staatskonzern, sowie die Einfuhrbeschränkungen für 1500 indische Produkte nach China kritisiert. Dieser würden auch mit einem Abkommen höchstwahrscheinlich bestehen bleiben; zum Vergleich Indien nutzt nur 171 Einfuhrbeschränkungen gegenüber China.
China
Die chinesische Regierung hat den Abschluss des Abkommens als großen Erfolg bezeichnet.
Als größte Volkswirtschaft in der Region dürfte das Land einige Inhalte zur eigenen Gunst mitgestaltet haben. Für China bietet das Abkommen und die daraus resultieren Absatzmöglichkeiten, eine gute Position, um die Einschnitte im Amerika-Export zu kompensieren und so weiterhin schnell zu wachsen. Zwar hat die Küstenbevölkerung in den letzten Jahren einen rasanten Aufstieg erlebt, jedoch möchte auch die unzufriedener werdende Landbevölkerung mehr Wohlstand in Anspruch nehmen.
USA
Nachdem die Vereinigten Staaten sich 2017 aus der transpazifischen Partnerschaft (TPP) zurückgezogen haben und die übrigen Länder das neue CPTPP geschlossen haben, ging der Einfluss Amerikas in Asien ein Stückweit zurück.
Nach der Ratifizierung von RCEP dürfte dieser Effekt noch einmal gestärkt werden, denn TPP war ein Werkzeug um die chinesische Vormachtstellung über die asiatischen Staaten ein zurückzuhalten. Nun hat sich die Situation diametral geändert, die Hegemoniestellung Chinas wurde deutlich gestärkt.
Damit wird China seinen Einfluss in der asiatisch-pazifischen Region vergrößern, während die USA in den letzten Jahren eine protektionistischere Handelspolitik betrieben haben.
Ausblick
Auch wenn das RCEP weniger umfassend als zum Beispiel das CPTPP ist, so wird die wirtschaftliche Auswirkung wahrscheinlich dennoch höher sein. Langfristig hat die ASEAN+5 Region das Potenzial eines der wichtigsten Wirtschaftszentren der Welt zu werden.
Eine wichtige Aufgabe ist die Konsolidierung der ROO-Regelung, welche den Handel in der Vertragsregion um bis zu 90 Milliarden USD pro Jahr steigern könnte.
Darüber hinaus verbindet das Abkommen die Industriestaaten China, Japan und Südkorea, die vorher noch keinen Freihandel praktiziert haben.
Für die Zukunft wird wichtig sein, ob das Sekretariat des RCEP es schafft in den nächsten zwei Jahren, eine bisher fehlende Regelung, bezüglich der Streitbeilegung zwischen Investoren und Staat (ISDS) erarbeiten kann.
Abzuwarten bleibt, ob die asiatischen Länder des RCEP in Zukunft als eine Plattform für die Erörterung von künftigen Handels- und Wirtschaftsfragen in Asien nutzt oder nicht.
Des Weitern bleibt abzuwarten, wie die westliche Welt und die Welthandelsorganisation auf die gegebenenfalls bestehende mögliche Chinas reagieren wird, die wegen Preisdumpings sanktionierten Produkte über Drittstaaten zu exportieren, um so die Zölle zu umgehen (siehe ROO Regelungen).